Verantwortung für die eigenen Gefühle Übernehmen? Erstmal die Bedürfnisse anerkennen.
Wenn Sie Ihre eigenen Gefühle & Bedürfnisse analysieren und beschreiben können, sind Sie schon auf einem guten Weg, die gewaltfreie Kommunikation zu meistern. Es gibt aber noch einen wichtigen Schritt: Sie müssen Ihre Gefühle nicht nur verstehen, sondern müssen auch Verantwortung für diese übernehmen.
Dies können Sie tun, indem Sie ihre eigenen Bedürfnisse anerkennen. Die Worte oder Taten eines anderen können zwar der Auslöser Ihrer Gefühle sein, aber niemals ihre Ursache. Nicht das Gesagte selbst, sondern Ihre Reaktion darauf bestimmt, wie Sie sich fühlen. Sie können selbst auf die schlimmste Beleidigung so reagieren, sodass Sie sich nicht beleidigt fühlen.
Wie das geht, wird in folgendem Beispiel deutlich. Stellen Sie sich vor, jemand sagt zu Ihnen: „Du bist der größte Egoist, den ich kenne!“ Wie reagieren Sie? Im Prinzip haben Sie vier Möglichkeiten:
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Ihr Gegenüber wahrnehmen
Die erste ist, diese Ansage persönlich zu nehmen und sich selbst damit fertig zu machen. Wenn Sie sich denken, dass Sie ein egoistischer, gefühlloser Idiot sind, stoßen Sie nicht zur Ursache des Problems vor und können mit Ihrem Gegenüber nichts klären. Darüber hinaus fühlen Sie sich jetzt schuldig und schlecht.
Eine zweite falsche, aber häufige Reaktion ist es, das Gegenüber anzugreifen: „Ich bin egoistisch? Du bist ja selbst noch viel schlimmer!“ Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gerade einen Streit angefangen.
Besser wäre es, wenn Sie stattdessen Ihre Gefühle und Bedürfnisse ansprechen. „Wenn du sagst, dass ich ein Egoist bin, dann fühle ich mich verletzt. Ich versuche, es dir recht zu machen, wo ich kann, und ich wünsche mir, dass du das anerkennst.“ So werden Sie sich über Ihre eigenen Gefühle klar und tragen dazu bei, dem Grund für den Konflikt auf die Spur zu kommen.
Die optimalere Reaktion wäre allerdings, nicht auf Ihre Gefühle, sondern auf die Ihres Gegenübers einzugehen. „Findest du, dass ich egoistisch bin, weil ich etwas Bestimmtes gemacht habe? Wie kann ich mehr Rücksicht für deine Gefühle zeigen?”, ist ein Einstieg, der Ihrem Gesprächspartner die Möglichkeit gibt, seine Bedürfnisse konkret zu äußern.
Welche Bedürfnisse liegen meinen Gefühlen zugrunde?
Warum ist es für gewaltfreie Kommunikation so wichtig, dass Sie sich über Ihre Bedürfnisse bewusst sind? Ebenso wie über unsere Gefühle sprechen wir im Alltag auch über unsere Bedürfnisse nur sehr selten. Anstatt sie anzusprechen, beschuldigen wir meistens jemand anderen, wenn eines unserer Bedürfnisse nicht erfüllt ist. Wir haben einfach nie gelernt, unsere Wünsche auf eine andere, konstruktivere Art zu artikulieren.
Wenn Sie z.B. ein großes Bedürfnis nach Ordnung und Sauberkeit haben und Ihr Partner gerne seine schmutzige Wäsche herumliegen lässt, dann werden Sie vermutlich nicht mit ihm über Ihr Bedürfnis sprechen, sondern ihn beschuldigen, unordentlich und rücksichtslos zu sein. Er geht dann natürlich zur Verteidigung über – keine gute Voraussetzung für eine konstruktive Kommunikation.
Stattdessen solltest Sie versuchen, Ihre Bedürfnisse anzusprechen, und zwar so direkt und genau, wie Sie können: „Ich bin gestresst, wenn ich nach Hause komme und nach einem langen Arbeitstag schmutzige Wäsche aufräumen muss. Kannst du deine Socken wegräumen, bevor ich komme?”
Auch mal an sich denken
Das ist für viele Menschen nicht einfach. Viele sind diejenigen, die sich erster Linie um andere kümmern und dabei ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund stellten. Es sind die, die meistens auf die Frage: „Was möchtest du?“ mit „Das weiß ich nicht“ antworten. Sie sind einfach in dem Glauben, dass die eigenen Wünsche nebensächlich sind.
Doch wenn Sie möchten, dass Ihre Familie und Ihre Freunde Sie verstehen, müssen Sie mit ihnen über Ihre Bedürfnisse sprechen. Je genauer und ehrlicher Sie dabei sind, desto einfacher wird es für die anderen, auf Ihre Wünsche einzugehen und Ihre Gefühle zu verstehen. Es ist zwar schön, selbstlos zu sein, doch die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken oder zu ignorieren, bringt langfristig nichts außer Ärger. Daher sollten wir alle ab und an in uns hineinhören und uns fragen, was genau wir eigentlich brauchen und wollen. Dann können wir diese Bedürfnisse richtig ausdrücken.
Sagen, was man von anderen wünschst, damit eigene Bedürfnisse erfüllt werden.
Bisher haben wir uns die ersten drei Schritte von Gewaltfreie Kommunikation angesehen: Beobachtungen, Gefühle und Bedürfnisse. Jetzt kommen wir zum letzten Schritt, dem Bitten. Wie können wir das, was wir uns wünschen, so ausdrücken, dass wir verstanden werden und auf Mitgefühl treffen?
Wenn du Sie Bitte aussprechen, solltest Sie immer deutlich, positiv und konkret sein. Je deutlicher Sie Ihre Bitte formulieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass Ihr Gegenüber sie auch richtig versteht – das klingt einfach, ist aber oft sehr schwer!
Wie wichtig es ist, genau zu sagen, was man möchte, stellte auch die Frau im folgenden Beispiel fest. Sie beschwerte sich bei ihrem Mann und sagte: „Du verbringst zu viel Zeit im Büro!“ Sie hatte sich deutlich ausgedrückt und in der folgenden Woche erklärte ihr Mann ihr glücklich, dass er für nächste Woche einen Kanu-Ausflug mit seinen Kumpels gebucht hatte. Er hatte ihre implizite Bitte erfüllt, weniger Zeit im Büro zu verbringen. Leider hatte sie vergessen, ihr eigenes Bedürfnis zu erwähnen. Eine bessere Bitte wäre: „Ich wünsche mir, dass wir mindestens einen Abend in der Woche miteinander verbringen.“
Positive Rahmung
Achte Sie darauf, positive Formulierungen zu verwenden. Sagen Sie, was Sie möchten, nicht, was Sie nicht möchten. Negative Formulierungen neigen dazu, Verwirrung zu stiften und Widerstand hervorzurufen. Außerdem ist es wichtig, dass Sie Ihre Bitten so formulieren, dass der andere auch weiß, was er genau zu tun hat.
Wenn z.B. ein Manager seinen Mitarbeitern sagt: „Ich möchte, dass Sie mir gegenüber keine falschen Hemmungen haben“, dann ist das ziemlich unkonkret. Wenn er spezifisches Feedback haben möchte, sollte er lieber sagen: „Sagen sie mir bitte regelmäßig, was Sie von meiner Arbeit halten und was ich Ihrer Meinung nach besser machen könnte.“
Jeder Mensch hat Bedürfnisse und dafür muss sich niemand schämen. Je genauer und deutlicher Sie diese formulieren, desto einfacher machen Sie es den anderen, sie zu erfüllen.